Beginnjahr 2016 Abschlussjahr 2020

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ProjektleiterInnen+Ansprechpersonen MitarbeiterInnen
Ländercode Österreich Sprachcode Deutsch
Schlagwörter DeutschLängsschnittanalyse in der Primarstufe, Testungen zu vier Messzeitpunkten, Geschlechtsunterschiede in MINT-Fächern
Schlagwörter Englischfour measurements with tests, longitudinal analysis on primary school level, gender differences in subjects for natural sciences
Abstrakt

Die Fragestellung nach Geschlechtsdisparitäten in MINT- Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) beschäftigt nicht nur die jeweiligen Fachdidaktiken schon seit Jahrzehnten. Insbesondere Geschlechtsunterschiede in Mathematik haben große Relevanz für Forschung, pädagogische Praxis und politische Entscheidungen. So ist auch der Ausgleich jeglicher Geschlechtsunterschiede in diesem Bereich ein erklärtes Ziel der Mathematik-Didaktik (Budde, 2009; Heinze et al., 2007; Leder und Forgasz, 2008; Martignon et al., 2006). Trotz umfangreicher Analysen herrscht nach wie vor Unklarheit darüber, ob und zu welchem Zeitpunkt geschlechtsspezifische Leistungsunterschiede in spezifischen mathematischen Fähigkeiten auftreten und welche Ursachen hierfür verantwortlich sind (Niklas und Schneider, 2012).
Ob geschlechtsspezifische Leistungsunterschiede in Mathematik durch neurobiologische Geschlechtsunterschiede verursacht sind, wird noch kontrovers diskutiert. Vielfach wird angenommen, dass Geschlechtsunterschiede in Mathematik primär auf soziokulturelle Einflussfaktoren rückführbar sind, da die biologische Grundausstattung für den Erwerb numerischer Kognitionen bei Burschen und Mädchen identisch sei (Hyde, 2005; Spelke, 2005). Cahill (2006) argumentiert demgegenüber, dass es sehr wohl biologische (hirnstrukturelle und biochemische) Unterschiede zwischen Männern und Frauen gebe, welche die Entwicklung von funktionellen Geschlechtsunterschieden begünstigen.
War man früher der Ansicht, dass bereichsspezifische Geschlechtsunterschiede in Mathematik erst später – also  ab der Pubertät – auftreten, so zeigen neuere Untersuchungen, dass geschlechtsspezifische Leistungsunterschiede bereits in den ersten Grundschuljahren auftreten (Hyde et al., 1990; Kaufmann et al., 2008a; Krinzinger, 2008; Schardt und Merdian, 2006).
Geht man der Frage nach den Ursachen solcher Geschlechtsdisparitäten nach, so ist offenkundig, dass gesellschaftliche Faktoren eine wesentliche Rolle spielen. Bis heute wird von Jungen eher erwartet, dass sie sich für Mathematik interessieren als von Mädchen.
Eine weitere Vermutung besteht darin, dass Mädchen möglicherweise eher dazu neigen, Angst vor Mathematik zu haben, was die Mathematikleistungen sehr konkret negativ beeinflussen kann (Ashkraft und Kirk, 2001). Weitere im Verdacht stehende Prädiktoren für Geschlechtsunterschiede in mathematischen Kompetenzen sind das akademische Selbstkonzept und die Freude am Fach bzw. das Interesse an Mathematik (Niklas und Schneider, 2012).
Brunner, Krauss und Martignon (2011) gehen davon aus, dass die Leistung bei Mathematikaufgaben sowohl von einer rein mathematikspezifischen („intelligenzfreien“) Kompetenz als auch von einer generellen kognitiven Fähigkeit (nämlich der Intelligenz) beeinflusst wird, da gegebenenfalls geringe mathematische Kompetenz durch höhere Intelligenz ausgeglichen werden kann.
Ein weiterer – aus fachdidaktischer Sicht sehr interessanter – Einflussfaktor zur Ausbildung solcher geschlechtsspezifischen Leistungsunterschiede in Mathematik wird durch den Unterrichtsstil angenommen. Dabei sollen Burschen eher von offenen Unterrichtsformen profitieren, während Mädchen einen kalkülorientierten Unterricht bevorzugen (Frenzel et al. 2006).

Ziel der vorliegenden Studie ist es, nun einerseits den Beginn etwaiger geschlechtsspezifischer mathematischer Leistungsunterschiede auszumachen und andererseits deren Entwicklung unter Berücksichtigung aller oben genannten Einflussgrößen sehr differenziert zu verfolgen und anschließend zu analysieren.
Um ein individuelles, differenziertes mathematisches Ausgangsprofil für die Untersuchung zu bekommen, werden am Beginn der ersten Schulstufe alle relevanten mathematischen Vorläuferfertigkeiten (Mengenwissen, Eins-zu-Eins-Zuordnung, Seriation, Zahlenwissen, Raumlage) erfasst. Diese Messung dient auch zur Prüfung unserer Annahme, dass es keine signifikanten biologischen Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen in den mathematischen Vorläuferfertigkeiten geben sollte.
Auf Grundlage unseres Literaturstudiums gehen wir zudem davon aus, dass es zum Zeitpunkt der Einschulung keine signifikanten Geschlechtsunterschiede in den Skalen Selbstkonzept und Interesse an Mathematik gibt. Daher werden auch diese beiden Variablen bereits in der Schuleingangsphase erhoben und hinsichtlich eines etwaigen Gendergaps untersucht.

Zu den späteren Messzeitpunkten werden die soziokulturellen Variablen, die allgemeine Intelligenz sowie der jeweils angewandte Unterrichtsstil erhoben. Dabei wird zusätzlich zu jedem Erhebungszeitpunkt wiederum das akademische Selbstkonzepts, das Interesse am Fach sowie die etwaige Rechenangst erfasst. Die mathematischen Fähigkeiten werden multidimensional mithilfe der Deutschen Mathematiktests (DEMAT) zu allen Messzeitpunkten erhoben und dienen stets als Kriterium.

Damit wollen wir – wie eingangs erwähnt – sehr differenziert mögliche Geschlechtsdisparitäten in der mathematischen Kompetenzentwicklung aufdecken und dadurch sehr konkrete Interventionsprogramme für Lehrkräfte und Eltern ableiten.

Methode

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Ergebnisse

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Erhebungstechniken und Auswahlverfahren

Die Studie wird als Längsschnitt an 13 zufällig ausgewählten steirischen Volksschulen in der Zeit von September 2016 bis September 2020 geführt. Insgesamt nehmen N = 477 Kinder (50,5% Mädchen, 49,5% Jungen) teil, die Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten liegt von N = 415 Kindern (49,6% Mädchen, 50,4% Jungen) vor. Es nehmen dabei 7 ländliche und 5 Volksschulen aus dem urbanen Raum teil. Da die städtischen Schulen verhältnismäßig größer sind als die ländlichen Schulen, ist die Anzahl der Kinder aus den beiden Regionstypen nahezu ausgeglichen. Zwei urbane Schulen weisen dabei einen überdurchschnittlichen Anteil an Kindern mit einer anderen Muttersprach als Deutsch auf. Der Mittelwert des sozioökonomischen Status (HISEI) wird noch überprüft, aufgrund der gegebenen Randbedingungen wird jedoch apriori von einem Wert M 50,0 (Werte zwischen 16 = Reinigungskraft und 90 = Richter, Ärzte) ausgegangen und die Stichprobe dadurch hinsichtlich des sozialen Status als repräsentativ angenommen.
Erhoben wird an vier Messzeitpunkten (MZP), die auf die gesamte Grundschulzeit verteilt sind. Im Folgenden werden die zeitliche Anlage der Untersuchung sowie die (vorläufig) eingesetzten Messinstrumente beschrieben:

  

- MZP1 (WS 2016/2017): ERT 0+ für Arithmetik und Raumvorstellung; Mathematikangst1, fachspezifisches Selbstkonzept der SuS2; Freude am Fach Mathematik der SuS3; Geschlecht der SuS; Alter der SuS;

- MZP2 (SS 2018): DIRG, DEMAT 2+; (Elternfragebogen zu: Kindergartenbesuchsdauer der SuS4; SÖS5, Migrationshintergrund6, HLE (familiäre Lernumwelt der Kinder)7), allg. Intelligenz der SuS8, fachspezifisches Selbstkonzept der SuS2, Mathematikangst1

- MZP3 (SS 2019): DIRG, DEMAT 3+; fachspezifisches Selbstkonzept der SuS2, Freude am Fach Mathematik der SuS3, Mathematikangst1

- MZP4 (SS 2020): DIRG, DEMAT 4; fachspezifisches Selbstkonzept der SuS2, Freude am Fach Mathematik der SuS3, Mathematikangst1, (Schülerfragebogen zu: Kindergartenbesuchsdauer, SÖS der Eltern, Migrationshintergrund, HLE)

  

1 Die Mathematikangst wird mit dem Fragebogen für Rechenangst (FRA), der im deutschen Sprachraum normiert wurde und bei 6- bis 9-jährigen Kindern einsetzbar ist, erhoben (Krinzinger et al., 2007).

2 Das fachspezifische Selbstkonzept der SuS wird in Anlehnung an an Marsh, Ellis und Craven (2002) erhoben: Kinder sollen auf einer jeweils vierstufigen Skala angeben, wie gut sie im Vergleich mit anderen Kindern in Mathematik sind. Für jedes Item wird ein Balken dargeboten, in dem sich viermal das gleiche Strichmännchen befindet, und in dem die Endpositionen zusätzlich benannt sind. Die Kinder sollen dasjenige Strichmännchen ankreuzen, das im Vergleich mit den anderen Kindern am besten zu ihnen passt. Dabei werden fünf Vergleichseinschätzungen bzgl. Mathematik (z.B. "Im Rechnen bin ich... am schlechtesten/am besten") abgefragt und daraus der Mittelwert errechnet. Ferner sollen die Kinder ihr Lieblingsfach benennen.

3 Die Freude am Fach Mathematik bezieht sich auf die Emotionen und gilt hier auch als Repräsentant für die Bereiche Interesse und Motivation an Mathematik. Für diese Skala werden vier Items mit jeweils vier Antwortkategorien (Smileys zum Ankreuzen von lächeln bis traurig) verwendet. Errechnet wird erneut der Skalenmittelwert.

4 Zur Untersuchung der Kindergartenbesuchsdauer wird die Anzahl der Stunden erfragt, die die Kinder täglich im Kindergarten verbracht haben sowie die Anzahl der Jahre, die das Kind den Kindergarten besucht hat. Aus dem Produkt „Jahre x Stunden pro Tag“ wird dann die Variable Kindergartenbesuchsdauer errechnet.

5 Der sozioökonomische Status der SchülerInnen wird mit Hilfe des ISEI-Wertes (International Socio-Economic Index) bestimmt. ISEI ist ein international standardisiertes Maß für den sozioökonomischen Status der SchülerInnen (siehe dazu Ganzeboom, 1992 und Ganzebooom, 1996). Im Schülerfragebogen beantworten die SchülerInnen offene Fragen zur Berufstätigkeit der Eltern. Die SchülerInnen werden gebeten, den Beruf der Mutter und des Vaters zu nennen und kurz zu beschreiben. Analoge Fragen erhalten auch die Eltern im Elternfragebogen. Diese Berufsangaben werden auf Basis der Internationalen Standardklassifikation der Berufe (ISCO = International Standard Classification of Occupations) aus dem Jahr 1988 (ISCO-88) klassifiziert. Über die Codierung der Berufsangaben in die so genannten ISCO-Codes erfolgt die Berechnung der ISEI-Werte erfolgt.

6 Der Migrationshintergrund wird analog zur IGLU-Studie (Bos et al., 2007) durch mindestens einen im Ausland geborenen Elternteil definiert. In unserer Studie wird zusätzlich zwischen Kindern mit einem vs. mit beiden Elternteilen mit Migrationshintergrund differenziert.

7 Für die Erhebung der familiären Lernumwelt der Kinder (HLE) wird die Anzahl der Bücher und Bilderbücher im Haushalt, das Lese- und Fernsehverhalten von Eltern und Kindern sowie das Vorlesen berücksichtigt (vgl. auch Niklas & Schneider, 2010).

8Die allgemeine Intelligenz wird durch den Intelligenztest HAWIK-IV (Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Kinder IV) jetzt WISC (Wechsler Intelligence Scale For Children) erfasst.

Seit Herbst 2011 ist das HAWIK-IV-Testverfahren wieder unter dem englischen Namen WISC (Wechsler Intelligence Scale For Children) erhältlich. Am Testinhalt und der Aussagekraft hat sich nichts geändert. Der IQ-Test HAWIK-IV/WISC gehört weltweit und auch im deutschen Sprachraum zu den am häufigsten eingesetzten und allgemein anerkannten Testverfahren. Mit der Version HAWIK-IV kann die kognitive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen im Alter von 6;0 bis 16;11 Jahren (d.h. 16 Jahre und 11 Monate) in Einzeltestverfahren abgeklärt werden. Bei den Wechsler-Tests handelt es sich um eine Zusammenstellung verschiedener Untertests, mit deren Hilfe mehrere Intelligenzdimensionen erfasst werden. Aus der beobachteten und registrierten Testleistung erschließt man die Intelligenz. Grundlegende Fähigkeiten wie Sprachverständnis, abstraktes logisches Denken, die Leistung des Arbeitsgedächtnisses oder die Geschwindigkeit der Verarbeitung von Informationen sind wichtige Untertestergebnisse. Sie bilden entsprechend das Intelligenz-Niveau des Kindes/Jugendlichen ab. Aus diesen einzelnen Werten wird der IQ-Wert errechnet.

Zur differenzierten Analyse der arithmetischen Kompetenzen werden zwei standardisierte Instrumente eingesetzt. Einerseits der Eggenberger Rechentest 0+ (ERT 0+; Schaupp et al. 2014) für die Schuleingangsphase, der DIRG (Diagnostisches Inventar zu Rechenfertigkeiten im Grundschulalter; Grube, D., et al., 2010) welcher neben den Rechenfertigkeiten den arithmetischen Entwicklungsverlauf – was insbesondere für die längsschnittliche Beobachtung von Relevanz ist – beschreibt und andererseits der Deutsche Mathematiktest (DEMAT 2+; Krajewski et al. 2004, DEMAT 3+; Roick et al. 2004, DEMAT 4; Gölitz et al. 2006), der nicht nur im unteren Quartil differenziert und die Bereiche Arithmetik, Sachrechnen und Geometrie abdeckt. Mit Hilfe dieser Instrumente wird die Mathematikkompetenz und deren Entwicklungsverlauf multidimensional erhoben und jede Kategorie hinsichtlich etwaiger Geschlechtsunterschiede analysiert.

 

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