Beginnjahr 2010 Abschlussjahr 2014

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ProjektleiterInnen+Ansprechpersonen
Ländercode Österreich Sprachcode Deutsch
Schlagwörter DeutschÖkopsychologie, Musikpsychologie, Hören, Klang, Akustische Umwelt, Hörräume, Didaktik des Hörens, Audiobiographie, Hörerleben, Hörverhalten, Alltagsklänge
Schlagwörter Englischecological psychology, music psychology, listening, sound, sonic environment, didactics of listening, audiobiography, listening experience, listening behaviour, everyday sounds
Abstrakt

Der hörende Mensch ist in seinen psychophysischen Prozessen des Erlebens, Denkens und Handelns stets in eine sich wandelnde akustische Umwelt (vgl. Schafer 1994, S. 71ff.) eingebunden, mit der er in Interdependenz steht (vgl. Clarke 2005, S. 19ff.). Die damit verbundenen Hörprozesse erfolgen nicht isoliert, sondern sind in die jeweiligen Lebensverhältnisse des Individuums eingebettet (vgl. Mogel 1984, 13ff.) und sind geprägt durch die individuelle Audiobiografie. Diese wird im vorliegenden Forschungsprojekt aufbauend auf die Exploration individueller Klangerfahrungen als eigenständiges psychologisches Modell begründet, wobei insbesondere die Interrelation von Lebensverhältnissen, Biografie und aktuellem Hörverhalten untersucht wird. Neben Vorstudien in Rom (Italien) und Dublin (Irland) wurden Hauptuntersuchungen in Setubal (Portugal), Bodoe (Norwegen) und Linz (Österreich) durchgeführt. Im persönlichen Gespräch (Leitfadeninterview) berichten Interviewpartner von ihrer persönlichen Audiobiografie, ihren Klangerinnerungen und von Bedeutungsrelationen von Musik und Klang in ihrem Alltag. Das Hören wird als zentraler Akt der Weltbegegnung in seiner biografischen und individuellen Dimension sichtbar (vgl. Werner 2006. S. 36; Winkler 2002, S. 58f.). Ziel des vorliegenden Forschungsprojekts ist die idiografische und ökopsychologisch inspirierte Exploration von Hörerleben und Hörverhalten im Alltag als Grundlage für die Entwicklung eines empirisch gestützten und theoretisch fundierten Modells der Audiobiografie beim hörenden Menschen.

Methode

Die umfassenden Leitfadeninterviews zur Exploration der in die Lebensverhältnisse eingebetteten Klangerfahrungen führen kombiniert mit der Audioaufzeichnung und der detailgetreuen Transkription zu einer hohen internen Validität. Die weitläufige Erfassung der Lebensverhältnisse und des Hörkontexts ist zwar mit einem erheblichen Aufwand in der Datenerhebung verbunden, doch bei der Ausrichtung auf die Hörpraxis im Alltag und der damit verbundenen derzeitigen Forschungslage unbedingt notwendig. Neben der Darstellung von interindividuellen Gemeinsamkeiten und Unterschieden in Audiobiografie, Hörerleben und Hörverhalten bei den Interviewpartnern, liefern die Datenerhebungen in fünf verschiedenen europäischen Ländern zusätzliche Hinweise auf die kulturelle Prägung und Determiniertheit des Hörens. Die induktive Vorgehensweise lässt auch die Darstellung besonderer Hörbiografien in Form von Einzelfallstudien zu.

Ergebnisse

Die Interviews zur Psychologie des Hörens zeigen, dass Klang eine zentrale Rolle in der Strukturierung des Alltags sowie in der Regulation des emotionalen und psychischen Geschehens einnimmt. Es gibt vielfältige individuelle Verknüpfungen zwischen biographischen Hörstationen und dem aktuellen Hörerleben im Alltag. Positive Klangerfahrungen spielen sowohl eine entscheidende Rolle für die Orientierungssicherheit (und damit für das Geborgenheitserleben) als auch für die Synchronisationsleistungen des Individuums im Alltag. Diese interindividuelle Variabilität im Hören lässt sich auf der Grundlage des vom Autor eingeführten Begriffs der Audiobiografie erklären. Die Selektion von Klang ist ein relevantes Handlungskriterium zur Gestaltung persönlicher Umwelten und zur Erlangung einer mitunter verloren geglaubten Privatsphäre. Der handelnde und rezeptive Umgang mit Klang ist ein transkulturelles Phänomen. In der qualitativen Theoriebildung zur Psychologie des Hörens wurden die folgenden Themenkomplexe ausgearbeitet: Themenkomplex 1: Bedeutungsrelationen von Musik und Klang, Funktionen und Wirkungen von Musik und Klang, Aufforderungscharakter von Musik und Klang, Einstellungsstruktur zur Stille, Hörvisionen; Themenkomplex 2: Kontinuität und Variabilität in der der Audiobiographie, auditive Habituierung, Interrelationen von Audiobiographie, Hörerleben und Hörverhalten, frühe audiobiographische Ereignisse, Klang-Konnotationen; Themenkomplex 3: Kontexte des Hörens, Kompatibilität und Inkompatibilität von Hören und Lernen, Mediennutzung, stimmungsverstärkendes, stimmungsveränderndes, stimmungskorrespondierendes Hören; In der Folge wurden folgende Typen des Hörens abgeleitet: "Abschotter" versus "Kontakter", "Integrierer" versus "Variierer", "Analytiker" versus "Synthetiker", "Real Inspirierte" versus "Medial Inspirierte", "Musikhörer" versus "Musikmacher". Auf der Grundlage der qualitativen Theoriebildung wird die CUP-Theorie des Hörens vorgestellt, die den Versuch unternimmt, die Entwicklung des Hörens beim Menschen zwischen den Polen von Differenzierung und Integration zu verorten.

 

Das Dissertationsprojekt konnte am 19.12. 2014 mit dem Prädikat "magna cum laude" abgeschlossen werden. Es folgte die Dissemination durch die Veröffentlichung des folgenden Buches:

 

Waid, A. (2015). Die Psychologie des Hörens. Theoretische Fundierung von und empirische Erhebungen zu Audiobiografie, Hörerleben und Hörverhalten als Grundlage für eine integrative Theoriebildung. Kassel: University Press.

Erhebungstechniken und Auswahlverfahren

Erhebungsmethode: teilstandardisiertes Leitfadeninterview

Studienteilnehmer sind insgesamt 63 Studierende (an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz sowie am Mater Dei Institute, Dublin (Irland), Studierende an der Universität Nordland, Bodoe (Norwegen), Studierende an der Hochschule Setubal (Portugal) sowie Studierende an der Universität Roma Sapientia (Italien)).

 

Datenstrukturierung: Kodierung der 57 Interviews mittels Kodierleitfaden

Datenauswertung: Qualitative und quantitative Datenauswertung (Triangulation)

Qualitative Theoriebildung zur Psychologie des Hörens

Publikationen (+ link zum OBV)
  • Clarke, E.F. (2005). Ways of Listening. An Ecological Approach to the Perception of Musical Meaning. Oxford University Press: Oxford.
  • Schafer, R.M. (1994). The Soundscape. Our Sonic Environment and the Tuning of the World. Destiny Books: Rochester, Vermont.
  • Werner, H. U. (2006). Soundscape-Dialog. Landschaften und Methoden des Hörens. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen.
  • Winkler, J. (2002). Still! Es rauscht die Welt. Individuelle Orientierung in der Klanglandschaft der Gegenwart. In Zuhören e.V. (2002). Ganz Ohr. Interdisziplinäre Aspekte des Zuhörens. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen.
  • Mogel, H. (1984). Ökopsychologie. Eine Einführung. Kohlhammer: Stuttgart.
Internet (pages + downloads)
Hauptkategorie(n)Bildungsinhalt (Themenfeld)
Verhalten und Persönlichkeit
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