Beginnjahr 2014 Abschlussjahr 2016

Institutionen

durchführende Institutionen

Personen

ProjektleiterInnen+Ansprechpersonen
Ländercode Österreich Sprachcode Deutsch
Schlagwörter Deutschwissenschaftliches Schreiben
Abstrakt

Seit dem Schuljahr 2015/16 stellt die sogenannte „Vorwissenschaftlichen Arbeit“ in der Oberstufe in Österreich die dritte Säule der standardisierten Reife- und Diplomprüfung dar. Die SchülerInnen müssen beim Verfassen dieser Arbeit ihre Fähigkeit unter Beweis stellen, wissenschaftlich arbeiten und schreiben zu können. Studien über den Erwerbsstand wissenschaftlicher Textkompetenz von SchülerInnen am Ende der Schulzeit sowie didaktische Konzepte zur Förderung wissenschaftlicher Textkompetenz in der Schule sind jedoch bislang ein Forschungsdesiderat.
Ziel des Projekts war es daher, den Stand der wissenschaftlichen Textkompetenz von SchülerInnen in der 11. Schulstufe zu erheben und ein didaktisches Setting zur Förderung der wissenschaftlichen Textkompetenz von SchülerInnen zu entwickeln und im Rahmen einer Interventionsstudie zu evaluieren.
Im Zentrum stand dabei das wissenschaftliche Handeln in Texten, wie es sich in konventionalisierten textstrukturellen Handlungsmustern, sog. Textprozeduren (Feilke 2010; Feilke/Lehnen 2012; Feilke 2014, 2015; Schmölzer-Eibinger/Dorner 2012) manifestiert. Sie sind als textkonstituierende Elemente dafür entscheidend, ob ein Text als „wissenschaftlich“ gelten kann oder nicht. Beispiele dafür sind das Kontextualisieren, das Positionieren, das Kontrastieren etc. Textprozeduren zeigen sich in einem wissenschaftlichen Text durch sogenannte „Prozedurausdrücke“ (Feilke 2010, 2012, 2014). So wird etwa die Textprozedur „Referieren“ an der Textoberfläche durch „laut x“ realisiert. Textprozeduren verbinden ein Handlungsschema und dafür typische sprachliche Ausdrücke. Sie indizieren damit einerseits das wissenschaftliche Handeln und sind andererseits in „lexikalisierten, […] syntagmatischen Ausdrucksmustern" (Feilke 2003) repräsentiert. Als Form-Funktions-Gefüge sind Textprozeduren auf die kommunikativ-funktionale Gestaltung von Texten bezogen und stets domänenspezifisch. Sie erlauben es daher, wissenschaftliche Texte als Resultat des Einsatzes domänenspezifischer „semiotisch konfundierter, funktional-pragmatischer Textkonstitutionsverfahren“ (Feilke 2010) zu beschreiben. Textprozeduren sind jedoch nicht nur für die Konstitution von wissenschaftlichen Texten elementar, sondern auch für den Erwerb von wissenschaftlicher Textkompetenz zentral (siehe u.a. Bachmann/Feilke 2014; Schmölzer-Eibinger et al. 2013).
In diesem Projekt wurden Textprozeduren sowohl in einer didaktischen Intervention eingesetzt, um wissenschaftliche Textkompetenz zu fördern, als auch in Testungen als wesentlicher Indikator für wissenschaftliche Textkompetenz operationalisiert. In der Intervention wurde die Aneignung von Textprozeduren im Rahmen eines didaktisch kleinschrittigen, auf funktionale Zusammenhänge wissenschaftlicher Texthandlungen fokussierten Aufgabensettings angebahnt. Im Mittelpunkt stand dabei das Verfassen einer wissenschaftlichen Einleitung und eines Kontroversentextes als diskurstypische Textformen. In den Testungen wurden 160 SchülerInnentexte innerhalb eines Prä-/Posttest-Designs verfasst. Diese wurden in Bezug auf das Vorkommen von Textprozeduren und deren Domänentypik analysiert. Dadurch konnte der Stand der Textkompetenz der SchülerInnen in der 11. Schulstufe erhoben, sowie die didaktische Intervention hinsichtlich ihrer Wirksamkeit evaluiert werden.

Ergebnisse

In der in diesem Projekt durchgeführten Erhebung zur wissenschaftlichen Textkompetenz hat sich gezeigt, dass SchülerInnen der 11. Schulstufe durchaus bereits über ein prozedurales Wissen in Bezug auf wissenschaftliche Texthandlungen verfügen und in der Lage sind, dieses beim Schreiben von Kontroversentexten zum Teil domänenadäquat zu realisieren. Weiters kann die vorhandene Textkompetenz der SchülerInnen erfolgreich durch eine kleinschrittige, auf Textprozeduren fokussierte didaktische Intervention in einem materialgestützten Setting erweitert werden. Dies zeigt sich durch eine Auswertung der in der Intervention vermittelten wissenschaftlichen Textprozeduren, die von den SchülerInnen im Verlauf dieser Intervention gehäuft und überwiegend funktional adäquat und domänenspezifisch eingesetzt werden.

Die Ergebnisse der Intervention weisen auch darauf hin, dass das didaktische Vorgehen, beginnend bei der Rezeption wissenschaftlicher Texte über die Bewusstmachung literaler Praktiken der wissenschaftlichen Diskursgemeinschaft hin zum Schreiben wissenschaftlicher Texte, als erwerbsförderndes Setting durchaus zielführend scheint. Auch wenn die SchülerInnen die in der Intervention vorgegebenen Textprozeduren noch vielfach kopieren, so stellt dieses Vorgehen einen wichtigen Schritt in der Erwerbsabfolge dar, der didaktisch durch die Intervention unmittelbar angestoßen und offenbar auch durchaus zu einem günstigen Entwicklungszeitpunkt für die SchülerInnen gesetzt wurde. Dies kann als ein Fortschritt im Erwerb von wissenschaftlicher Textkompetenz betrachtet werden, der der Intervention zuzuschreiben ist.

Jedoch zeigen die Posttest-Ergebnisse bei der zweiten Testung mit einem Zeitabstand von zwei Monaten, dass die SchülerInnen ohne eine didaktische Stützung weniger gut in der Lage sind, wissenschaftsspezifische Texthandlungen domänenadäquat zu realisieren. So gab es in Bezug auf die Anzahl der eingesetzten Prozedurausdrücke zwischen dem Prätest und dem Posttest keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen der Kontroll- und der Interventionsgruppe. Dies ist insbesondere durch die Kurzfristigkeit der Intervention und die mangelnde vorgängige Erfahrung der SchülerInnen im Umgang mit wissenschaftlichen Texten zu erklären. Allerdings setzt die Interventionsgruppe auch noch bei der zweiten Testung mehr Prozedurausdrücke domänenspezifisch ein als die Kontrollgruppe und der Gebrauch domänenunspezifischer Prozedurausdrücke geht zudem zurück.

Auffällig in den Texten der SchülerInnen ist, dass sie Prozedurausdrücke in vielen Fällen direkt aus den Vorlagentexten, den Aufgabenstellungen und der Intervention übernehmen, was die Bedeutung des materialgestützten Schreibens im Unterricht unterstreicht und aus didaktischer Sicht nahelegt, dem Input, den SchülerInnen für das wissenschaftspropädeutische Schreiben in der Schule erhalten, einen höheren Stellenwert als bisher beizumessen. Es wird daher deutlich, dass eine didaktische Stützung durch Aufgabenstellungen und Materialien bei dieser schulisch weitgehend neu aufzubauenden Kompetenz bei SchülerInnen unabdingbar ist, um ihre wissenschaftliche Textkompetenz zu fördern. Außerdem erfordert ein nachhaltiger Aufbau dieser Kompetenz Routinisierung und somit eine wiederholte, prozessorientiert angelegte Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Textprozeduren über einen längeren Zeitraum hinweg. Den Schulen ist daher eine Förderung der wissenschaftlichen Textkompetenz der SchülerInnen spätestens ab der 10. Schulstufe und in allen Fächern nahezulegen. Den Lehrkräften ist zu vermitteln, dass Textprozeduren nicht nur ein Werkzeug des Schreibens, sondern auch Werkzeug des Lernens darstellen, das im Unterricht gezielt und möglichst oft eingesetzt werden sollte.

Hauptkategorie(n)Lehren und Lernen (Prozesse und Methoden)
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